09. Tag | 10. Mai 2009


 

Heute bloggt Christian

Ralley Allgäu-Orient 2009 | Vote Team 47


Ab in die Wüste

 

Ich schlage die Augen auf und höre Wasser plätschern. Als Götz aus dem Bad kommt freue ich mich auf eine belebende Dusche. Und in der Tat: zwischen Kalt und Saukalt wähle ich die Warmduschervariante. Extrem belebend. Aber nach wenigen Sekunden ist das Brummen im meinem Schädel, das der Tanqueray wohl gepflanzt haben muss, verschwunden.

 

Zauberhaftes Backwerk

 

Nach Frühstück brauchen wir in diesem Quartier nicht fragen. Dafür gibt es gegenüber einen Bäcker, der herzhafte Köstlichkeiten feil bietet. Dazu Apfellimonade die so schmeckt wie das legendäre Shampoo in den 80ern roch. Ein toller Tag- schon jetzt! Götz hat zwischenzeitlich den Geldautomaten zur Herausgabe einiger syrischer Geldnoten bewegen können.

 

Grüsse aus Redmond

 

Am Vorabend hatte der Automat noch die eigentümlichsten Fehlermeldungen ausgespuckt. Offensichtlich haben die Syrer den Fehler gemacht ein Betriebsystem aus Redmond in die ATMs zu pflanzen. Denn unter anderem war von einer fehlenden .dll Datei die Rede. Ich habe weniger Glück. Der Automat zeigt wieder neue lustige Meldungen. Immerhin scheint das DLL Problem behoben.

 

Ganz viele Kinder

 

Jetzt, bei Tageslicht, fällt uns auf das wir uns sehr von der Masse abheben. Buntere Klamotten, blassere Haut, größere Autos. Wir sind die Show der Strasse. Während wir dem morgendlichen Ritual der Ölstandkontrolle frönen, erscheinen erste Kinder bettelnd am Auto. Ihnen ein paar Münzen in die Hand zu drücken entpuppt sich als Fehler. Der Ölmessstab ist noch nicht wieder im Motor verschwunden, da strömen aus allen Richtungen Kinder auf uns zu. Unfasslich wie schnell man Nachrichten verbreiten kann.

 

Hemed

 

Bevor wir die Stadt verlassen wollen wir zunächst noch mal im Sheraton Hotel vorbei fahren. Seit der rumänischen Nacht hat unser Vertrauen in das Kartenmaterial arg gelitten. Und bevor wir uns mitten in die Wüste begeben, wollen wir mit jemandem über die Routenwahl sprechen. Gleich am Eingang treffen wir Hemed den Sicherheitschef des Hotels.

Helmut“ hat sechs Jahre in Hamm in Westfahlen gelebt und erklärt uns in fast akzentfreiem Deutsch das die Strasse unserer Wahl besser sei als ein Postweg. Wir wissen zwar nicht was ein Postweg ist, lassen uns durch Helmuts Vergleich aber beruhigen und versuchen den Ausgang aus dieser Stadt zu finden.

 

Prinz Christian I. von Aleppo

 

Mittlerweile ist es 11.00 Uhr und bis Sonnenuntergang müssen wir 300km weiter südlich und jenseits der Wüste ein Foto fürs OK schießen. Darüber hinaus hat uns gestern Abend an der Hotelbar eine Splittergruppe des Teams Bremen 1 erzählt, dass wir sogar gestern die Fotos hätten machen sollen und heute abends schon in Damaskus sein sollen. Wir wähnen uns also wieder am Ende des Rallye-Trosses.

Bei der Ausfahrt aus der Stadt mache ich wieder meine üblichen Fotos. Auf dem Beifahrersitz stehend suche ich vom Dach des Autos nach Motiven. Aber heute fühlt es sich anders an. Die Bevölkerung scheint uns zu bejubeln und selbst die Verkehrspolizei winkt und lacht. Nach wenigen Sekunden sind die grimmigen Gesichter und die Schikanen der Syrischen Grenzer von gestern vergessen. Ich komme mit vor wie Prinz Karneval. Prinz Christian I. von Aleppo.

 

Haben wir genug Wasser & Sprit?


Der Weg in die Wüste ist schnell gefunden. Der Weg wieder raus ist nicht so trivial. Aber alles der Reihe nach.

Zum ersten Mal sind wir wirklich mitten in der Wüste. Sand soweit das Auge reicht und alle 20km ein Beduinenstamm mit Kamelen und Schafen. Zunächst scheint die Navigation recht simpel. Die Karte verzeichnet nur eine einzige Strasse. Die ist in jedem Fall besser als ein Postweg. Helmut hatte recht.

Irgendwann kommen wir aber an eine Gabelung. Gebrandmarkt von der Rumänien-Situation holen wir sofort den Kompass raus, entscheiden uns für „rechts“ und stellen schon nach wenigen hundert Metern fest, das dieser Weg nicht der richtige sein kann. Aber auch der linke Weg kann unmöglich passen, da er fast genau nach Norden führt. Langsam wird allen klar, dass wir ganz woanders sein müssen, als wir vermuteten. Im Angesicht des riesigen Sandkastens und der brennenden Sonne schießen jedem von uns die gleichen Gedanken durch den Kopf:

Wie viel Wasser haben wir dabei?
Wie viel Sprit haben wir noch?
Wann geht die Sonne unter etc.

 

Der Know-Nothing-Verlag


Wir fahren zurück in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Aber schon nach ein paar Kilometern kommt ein Abzweig an den sich offensichtlich niemand von uns so richtig erinnern kann. Zwei von uns behaupten dass wir von links kamen. Die anderen beiden schwören Stein und Bein, aus der anderen Richtung gekommen zu sein. Wir entscheiden und für den Weg, der weiter nach Süden führt.


Irgendwann glauben wir wieder zu wissen wo wir sind. Und wir finden sogar den Abzweig den wir wohl ursprünglich hätten nehmen sollen. Dieser ist aber in den Karten nicht verzeichnet und so benennen wir den Verlag der für unser Kartenmaterial verantwortlich ist von „Reise Know-How“ in „Know nothing“ um.

 

Der Stern des Südens


Die gute Nachricht ist, dass wir jetzt schnurstracks gen Süden fahren. Die schlechte: Die Straße ist längst keine mehr. Offensichtlich baut man in Syrien keine neue Straße ohne die alte erstmal völlig ab zu reißen. Und keiner von uns will mehr wissen, wie ein Postweg aussieht.

Aber nach endlosen 30km Sandpiste mit Schlaglöchern die einen Schnitt von 10km/h erfordern, erreichen wir die Hauptstrasse. Von hier sind es noch etwa 60km zu unserem Etappenziel: Den Gärten von Kathan in Palmyra. Jetzt wird gefahren was die Strasse hergibt und wir erreichen Palmyra nur grob eine halbe Stunde später.

 

 

Die Kopftuch-Bande

 

Scheinfreundliche Mopetfahrer geleiten uns direkt zu Herrn Kathan um uns dann mit energischem Vertriebssinn Kopftücher andrehen zu wollen. Da der Sonnenuntergang droht und wir noch ein Foto in dem Garten schießen müssen, kaufen wir vier völlig überteuerte Kopftücher die uns von nun an ständig begleiten und noch gute Dienste verrichten sollen.

Und als wir feststellen dass noch jede Menge Konkurrenz im Garten sitzt und Tee schlürft kommen wir endlich zur Ruhe und sind alle völlig zufrieden.

 

 

Wir drehen durch

 

Die Zufriedenheit schlägt 30 Minuten später in eine Art Größenwahn um und wir beschließen noch in der gleichen Nacht nach Damaskus zu fahren.

Das sind zwar „nur“ 280km, aber niemand kann sagen wie die Straßen aussehen. Ganz davon abgesehen dass der ÖAMTC dringend von Nachtfahrten in Syrien abrät. Aber der Wunsch, endlich wieder „in Time“ zu sein ist so groß, dass wir uns herzlich von Herrn Kathan verabschieden und die Engines starten.

Die Straße ist gut. Dafür fängt es jetzt an zu regnen. Und als nach wenigen Kilometern vor uns ein auf dem Dach liegender LKW auftaucht, fange ich an mir Gedanken über die Ratschläge des Österreichischen Automobilclubs zu machen.

Bei einem kurzen Stau vor einem Bahnübergang holen wir dann aber einen Reisebus ein. Dieser bietet uns bis zum Rand von Damaskus bei rund 120km/h einen hervorragenden Wind- Licht- und Rammschatten.

 

 

High-Noon in Damaskus

 

Trotzdem dauert die Fahrt länger als gedacht. Vor allem auf der Einfallstrasse nach Damaskus ist auch kurz vor 0:00 Uhr noch die Hölle los. Da geht es zu wie am Stachus. Nur sind die Menschen auch hier viel mutiger als in München und lassen sich von dem vielen Stahl den wir lenken nicht von überraschenden Manövern abbringen.

Kurz nach Mitternacht erreichen wir dann das Finanzministerium. Der verabredete Treffpunkt mit unserer Kontaktperson: Dem Onkel von unserem Freund Amir aus Aachen – Herr Baag. Er hat wirklich großartiges geleistet und präsentiert uns mitten in Damaskus ein Hotel das er für uns auf 10,- Euro pro Kopf runtergehandelt hat.

Zwar müssen wir hier zu viert in einem Zimmer schlafen, dafür ist gleich nebenan aber eine Kebab Bude. Hier wird auch noch um 2.00 Uhr in der Nacht das Fleisch unmittelbar vor dem Grillvorgang gehackt und auf unseren Wunsch hin mit Habaneros versetzt.

Eiskaltes Cola treibt der Grillmeister irgendwo in der Nachbarschaft auf. Und so sind wir bester Laune als wir kurz nach 2.00 Uhr in ein riesengroßes und sauscharfes Kebab Beißen.


Jetzt endlich können wir uns auf einen entspannten Tag in der Hauptstadt von Syrien freuen. Und langsam sieht es so aus, als würden wir wirklich in Jordanien ankommen.

 

 

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Ralley Allgäu-Orient 2009 | Vote Team 47

 

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