08. Tag | 09. Mai 2009
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Heute bloggt Franzi
Grenzgänger - kein Tag wie jeder andere
Um exakt 21:10 Uhr hießen uns die Syrer herzlich Willkommen. Aber nun zurück zum Anfang unseres letzten Tages in der Türkei bei unseren Freunden im Emre Hotel. Am Vorabend beschlossen wir bei unserem letzten Bier auf unserem Zimmer im Hotel, den Tag ruhig angehen zu lassen. Um 08:30 Uhr hieß es dann „raus aus den Federn“. Unsere Freunde waren bereits zugange, uns ein deftiges Frühstück mit Chai zuzubereiten. Die große Herausforderung stand aber noch bevor: die Waschgelegenheiten zu testen.
Abenteuer KloMit der Nutzung von Toiletten auf dem Gang und Gemeinschaftsduschen hatten wir uns sowieso schon mit angefreundet, allerdings hatte ich dann doch darauf gehofft, dass zwischen Männlein und Weiblein unterschieden werden würde. Dem war nicht so. Vermutlich erwartete man in diesen südlichen Gefilden der Türkei keine weiblichen Gäste. Der Duschvorgang ereignete sich folgendermaßen: Dusche rein, Boiler an: Kalt! Herr Scherf behauptete in der zweiten Dusche ohne Boiler warmes Wasser gehabt zu haben, somit wechselte ich die Dusche, ohne davon auszugehen, dass der Boiler tatsächlich funktionsfähig war. Sei noch zu erwähnen, dass kaltes Wasser bei mir das Atmen erschwert und ich ständig nach Luft japsen muss. Erst später wurde mir klar, was meine unbewussten Laute unter der Dusche bei unseren Vermietern, die direkt nebenan das Frühstück zubereiteten, hervorgerufen haben könnten. Um aber noch mal das Thema Boiler aufzugreifen, das „noch etwas länger Schlafen“ von Herrn Bülles lohnte sich, denn ihm kam dann letztendlich das vom Boiler erwärmte Wasser zugute.
Shopping-Tour in Ceyhan
Spätestens jetzt entpuppten sich unserer Freunde als völlig weltfremd, als dem Besitzer beim Betrachten der Galerie der Satz „Hitler was a good man“ entwich. Bevor wir uns allerdings auf eine Diskussion einließen, beschlossen wir, diesen Satz unkommentiert zu lassen und endlich noch unser Restgeld türkische Lira auf den Kopf zu hauen. Unsere Ersatz-Funken mussten wir wohl oder übel abschreiben, dafür wurden Götz, Christian und ich Sonnenbrillen-fündig.
Wir üben feilschenNachdem wir voller Stolz den Preis fast halbiert und glückliche Besitzer waren, zückte der Verkäufer freudestrahlend weitere Putztücher und Etuis und uns wurde klar, dass er immer noch einen guten Schneid gemacht haben musste! Während des Chai-Trinkens – es ist wirklich unglaublich wie herzlich und gastfreundlich die Menschen dort sind – fiel Herrn Bülles eine Uhr zum Opfer, welche er unbedingt haben musste. Wie sich bereits am Vorabend herumgesprochen hatte, dass 4 total bekloppte Deutsche auf dem Weg nach Jordanien sind, trudelten im Laufe unseres Feilschens immer mehr Ceyhan-Einwohner ein, um die Verrückten zu begutachten. Es entwickelte sich auf dem Gehsteig vor dem Sonnenbrillen-Geschäft eine rege Unterhaltung mit Händen und Füßen, wilden Gestiken und ein paar Brocken englisch. Schließlich gesellte sich ein Türke zu uns, der einige Jahre in Wuppertal gelebt hatte und somit sehr gut deutsch sprach.
Danke, Freunde
On the road again brachten uns die netten Türken und so rollten wir am Meer entlang auf die syrische Grenze zu. Einen kurzen Zwischenstopp zur Nahrungsaufnahme mussten wir aber doch noch einlegen, bevor wir uns den stundenlangen Wartezeiten auslieferten. Auch im Kebap-Laden zeigte sich wieder einmal die Gastfreundschaft der Türken. Fazit: Ein wunderbares, sehr sehenswertes Land, in dem die Gastfreundschaft groß geschrieben ist.
Ausreise Türkei
Die Grenzer reden selten mit einem, wedeln mit Papieren und Händen und zeigen in irgendeine Richtung, was sich hier auch wieder bewahrheitete. Frau Mahlzahn fuhr drauf los, Herr Tur Tur hinterher. Beim nächsten Stopp gesellten wir uns zum Team 52, welches bereits die ersten Stempel kassiert hatte und uns freundlicherweise mitteilte, was wir nun zu tun hätten. Bereits an der türkischen Grenze liefen wir alle konfus in verschiedene Richtungen, was dazu beitrug, dass wir bei der Ausreise wieder zurück an den Start mussten, weil unsere Fahrzeughalter vergessen hatten, sich den Ausreisestempel zu holen. Zack, Stempel rein und raus aus der Türkei.
Wir sitzen alle im selben Boot
Die Rostocker, Erfurter-Truppe (leider ist mir der Team-Name entfallen) erklärte uns erstmal, dass wir uns definitiv auf mind. 5 Stunden Wartezeit einrichten sollten, aber das war uns ja nichts Neues. Unsere Fahrzeughalter sprinteten wieder los, denn es ging in erster Linie um die Versicherung der Autos! Ein wahres Unterfangen. Herr Bülles und ich als Beifahrer beobachteten somit das Geschehen von außen. In einer riesigen Halle erstreckten sich die verschiedensten Schalter, Menschen tummelten sich darum wie Trauben, an eine ordnungsgemäße Schlange war nicht zu denken. Wir hatten zumindest das Glück, dass wir durch Berichterstattungen anderer, länger dort campierenden Rallye-Teilnehmer zumindest mal wussten, dass wir 200 EUR für unsere Versicherung der Autos in Syrien aufbringen mussten, sowie 5 EUR Bestechungsgeld für das Ausfüllen eines Formulars. Zwischendurch sollten wir einen Grenzposten mit Süßigkeiten bestechen, damit dieser das Auto inspizierte und als „tüchtig“ erwies zur Weiterfahrt. Während sich Müdigkeit beim auswärtigen Team breit machte, schlugen sich unsere beiden Fahrzeughalter tapfer durch die langsam mahlenden Mühlen der syrischen Bürokratie. Alle Teams schienen der Geduld gewachsen zu sein und es wurde ausgiebigst vergangene Erlebnisse ausgetauscht. Manch einer begab sich bereits morgens um 08 Uhr in die pole position, um möglichst schnell Palmyra zu erreichen, musste dann allerdings nach durchlaufener Tortur bei der Ausreise wieder kehrt machen, weil das Auto als „Benziner“ versichert wurde, obwohl es sich um ein Diesel-motoriges Fahrzeug handelte. Ihnen blieb nichts anderes übrig, die gesamte Tortur auf ein Neues zu durchlaufen. Ein weiteres, früh angereistes Team wiederum hatte Schwierigkeiten aufgrund ihrer Zoll-Nummernschilder. Diese Teams mussten 11 Stunden dort ausharren, um ihren Autos die richtigen Versicherungen zu verschaffen. Die Kollegen der grünen Ober-Schwaben-Fraktion erzählten uns, ihr Roadbook sei unterwegs von einem anderen Team geklaut worden. Woran das wohl liegen mag?
6 Stunden Spannung
Währenddessen kümmerten Herr Bülles und ich uns um unsere Karren, belieferten unsere ausharrenden Kollegen mit Wasser, fotografierten, filmten zwischendurch einige Szenen unserer Genossen und besorgten dann endlich auch unseren Grenz-Stempel für unser Roadbook. Während sich andere Teams wohl fast gewaltsam einen Stempel für ihr Roadbook ...., indem sie der betreffenden Person diesen einfach aus der Hand rissen, schlugen Herr Bülles, ich und ein weiteres Team uns durch die Gänge und Stockwerke des Verwaltungstraktes bis wir schließlich beim „Chef persönlich“ in einem Zimmer voll von Mafia-artigen Zeitgenossen mit überzeugender Argumentation an unser Ziel kamen. Aufgrund von starren Blicken verharrte ich dann doch lieber im Türrahmen, während Herr Bülles drauf und dran war, aus Dankbarkeit seinen Ring zu küssen – Corleone lässt grüßen. Andere Teams vertrieben sich die Zeit, Rugby im klimatisierten Gebäude zu spielen. Keiner der Grenz-Personen schien die Nerven mit der Meute zu verlieren.
Stempelfreax
Ein kurzer Abstecher mit ein paar Dollar-Scheinen zum Zoll, hier verhandelte Götz, der leider nur einen Dollar anzubieten hatte, mit zusätzlichen Zigaretten und seinem ganzen Charme. Nachdem lautes Gelächter zu hören war, kam Götz siegesbewusst zurück und wir setzen unsere Reise zum Endgegner fort. Ich wähnte mich schon auf der syrischen Seite – falsch gedacht. Der Endgegner klappte meinen Pass auf, blätterte und blätterte und behauptete, es würde ein Stempel fehlen. Komischerweise wunderte ich mich schon den gesamten Tag, warum sich bisher keiner für unsere Visa interessiert hatte. Keiner konnte wirklich nachvollziehen, wann unseren Fahrzeughalter die Stempel verpasst wurden. Also, zurück zum Start... Mein Herz raste, meine Team-Genossen bekamen schon fast Angst vor mir, weil ich doch recht wutentbrannt in die Halle lief, um von der syrischen Polizei DEN Stempel zu bekommen. Götz begleitete uns mit den Papieren der Autos und so wurden Herrn Bülles und mir nach weiteren 15 Minuten endlich die Pässe von strahlenden syrischen Polizisten überreicht „welcome to Syria“. Tur Tur zuckelte mit Herrn Scherf und mir endlich über die Schwelle, doch Frau Mahlzahn wurde ein weiteres Mal vom Endgegner zurück geschickt, da der Grenzbeamte zu doof war auf der letzten Seite des Passes von Herrn Bülles den richtigen Einreise Stempel zu entdecken. Wir kannten ja nun die Strecke in und auswendig, Frau Mahlzahn machte kehrt und kam mit belehrenden Worten an den Grenzbeamten zurück, der sie dann nun schließlich durchwinkte. Unser Ziel: Tankstelle und in Aleppo eine 10 EUR Bleibe pro Person zu finden. Endspurt 70 km.
Kulturschock Syrien
Leider liefen unsere schnurrigen Katzen bereits auf Reserve. Bei erster Gelegenheit verhandelten wir mit dem Tankstellen-Besitzer, der erstmal keine Euronen annehmen wollte, Herr Scherf – langsam die Nerven verlierend – musste sich somit erstmal auf die Suche nach seinen Dollarscheinen machen. Letztendlich gut betankt und mit Zuversicht fuhren wir ins erste Dorf und aufgrund unserer hungrigen Jungs wurde beschlossen, gleich an der nächst duftenden Bude zu halten und etwas habhaftes zu uns zu nehmen. Panik machte sich in mir breit. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass wir uns in einem arabischen Land befinden. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich zu verhalten hatte, zu dieser Stunde waren sowieso keine Frauen mehr unterwegs, und ich ärgerte mich, dass ich im Vorfeld nicht in der Lage war, mich mit dem Land auseinanderzusetzen. Während Götz mir riet, mich mit einem Tuch zu verhüllen, bereits die ersten Araber sich um unsere Autos tummelten, hantierte ich aufgeregt mit meinem Rucksack und lies mich von staunenden Kindern begutachten. OK, mit Tuch umwickelt, völlig überfordert und überwältigt schloss ich mich den Jungs an. Vielleicht kann man erahnen, was in mir vorging, wenn ich sage, dass selbst die Jungs sich an „Mad Max“ oder „Star Wars“ erinnerten. Letztendlich wurde mir an der Spieß-Bude ein Stuhl angeboten und so langsam befreundete ich mich mit der Situation an.
In der Ruhe liegt die Kraft
In diesem Moment war ich froh, mit Herrn Scherf zu fahren, der mich mit seiner unsäglichen Geduld und Zuversicht wieder runter holte. Mit gesättigtem Magen machten wir uns auf den Weg nach Aleppo. Die Eindrücke waren unbeschreiblich. Autos mit bunt blinkenden Lichtern kamen uns entgegen. Z.B. hatte ein Taxi nicht nur bunt und abwechselnd blinkende Blinker, sondern auch eine grüne Deckenbeleuchtung mit an Bord. Jetzt stellte sich nur noch die Frage, wo in Aleppo eine Bleibe finden? Wir waren froh, dass wenigstens die Schilder nicht nur in arabisch angeschrieben waren, somit war es ein „fast leichtes“ die Innenstadt zu finden auf der Suche nach irgendeinem Hotel. Dies war dann relativ schnell gefunden, wenn auch nicht unserer Preis-Klasse entsprechend und Herr Bülles machte sich auf den Weg, um Hilfe zu bekommen. Unser erster richtiger Kontakt – unser sehr gut englisch sprechender Held Kalef (?) an der Rezeption – setzte alle Hebel in Bewegung und machte uns ein Hotel in unmittelbarer Nähe ausfindig, das uns für 40 US Dollar aufnahm. Aber nicht nur das... Er schickte uns seinen Portier mit, der uns direkt vor das Hotel navigierte (der Einbahnstraße entgegen und laut Kalef würde es kein Problem mit der Polizei geben, weil „we are the power“) und von dort wieder zu Fuß zurück marschierte.
Jetzt ein Bier!
Aber wo in Syrien, zur späten Stunde? Blieb uns nur eines: Kalef! Dort eingetrudelt verkündete er uns erstmal, dass er uns bereits über unsere Webseite eine Nachricht geschickt hatte. Unser neuer Freund! Wir waren happy und auch ich war von der menschlichen und überaus herzlichen Art begeistert. Doch leider wurde dort kein Alkohol ausgeschenkt, darum ermittelte er für uns erstmal das unmittelbar in der Nähe unseres Hotels befindende Sheraton, in dem wir dann an der Bar endlich unsere Biere sowie Gin Tonic ordern konnten. Ein langer Tag ging zu Ende, unser Hotelzimmer – mit Fenster zum Gang – wartete schon bereits auf uns. Ab ins Lummerland.
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